Die «Aargauer Lerche» jubilierte mit inniger Einfühlung
Festliches Adventskonzert der Engadiner Kantorei
Es war am Samstagabend ein freudiges und Freude bereitendes Geben und Nehmen im reformierten Gotteshaus in Seon, dieses festliche Adventskonzert, welches die Sängerinnen und Sänger des Chores «Aargauer Lerche der Engadiner Kantorei» unter der ebenso feinfühligen wie prägnanten Leitung von Peter Werlen boten. Zur Erinnerung sei erwähnt, dass der vielleicht etwas seltsam anmutende Name dieser Formation seinerzeit bei der Gründung vor 26 Jahren während der jährlich stattfindenden Jugendsingwochen in St. Moritz entstanden ist.
A-cappella-Chormusik von der Renaissance bis zur Moderne hatte das Programm angekündigt, und tatsächlich offerierte der Chor an diesem Abend einen weit gespannten Bogen weihnachtlichen Liedgutes. Einmal mehr bestach die gepflegte Art des Singens, der sich die rund 40 Chormitglieder verschrieben haben. Man spürte in jedem interpretierten Werk, ganz gleich welcher Schaffensepoche es angehörte, die intensive, nichts dem Zufall überlassende Probentätigkeit ebenso deutlich wie die Freude und Begeisterung, mit der alle zu Werke gehen. Man hat stets das Gefühl, hier wird aus einem inneren Bedürfnis heraus gesungen. Überzeugend auch die Deutlichkeit des sprachlichen Ausdrucks, die dem Zuhörer den Eindruck vermittelt, es werde dem Singen wie dem Sprechen der gleiche Stellenwert beigemessen.
Dabei hatten die «Aargauer Lerchen» ein Programm zusammengestellt, welches die Schönheit weihnachtlichen Chorgesanges verschiedenster Epochen offenbarte. Ob «nur» vierstimmig, ob fünf- oder gar achtstimmig, jede Melodie erhielt mit grösster Selbstverständlichkeit ihre eigene Interpretation, mal mit inniger Einfühlung, mal mit mächtig tönenden Passagen. Der musikalische Bogen wurde weit gespannt und begann mit den zeitgenössischen Komponisten Kodály, Pepping und Brunner, welche altbekannte Texte auf moderne Art umgesetzt hatten, um dann mit Dietrich Buxtehudes «Missa brevis» zu einem ersten Höhepunkt zu kommen. Wunderschön geriet die Wiedergabe dieses fünfstimmigen Werkes. Typische Vorweihnachtsfreude verbreiteten Andreas Hammerschmidts «Freude, grosse Freude» und Johann Pachelbels «Singet dem Herrn». Der Chor wechselte nun in die Romantik und liess drei Weisen aus dem Zyklus «Sechs Sprüche» von Felix Mendelssohn folgen. Mit Spannung erwartet wurde das «Ave Maria» von Sergej Rachmaninov, welches die «Lerchen» auf beeindruckende Art interpretierten. Den Abschluss des Konzertes bildeten typische und bekannte, innige Festfreude verkündende Weihnachtslieder, «Maria durch ein Dornwald ging» und «Josef, lieber Josef mein», sowie drei Sätze von Hermann Schröder, in welchen der Chor von Instrumentalisten unterstützt wurde. Der lang anhaltende Schlussapplaus zeigte den Sängerinnen und Sängern, dass ihre musikalische Botschaft angekommen war. Mit der Wiederholung des «Ave Maria» als Zugabe dürfte man einen heimlichen Wunsch vieler Gäste erfüllt haben.
Aargauer Zeitung – 15. Dezember 1998